Dezember 2019


Jugend und Ausbildung

1944 wurde ich in Memel (heute Klaipeda in Litauen) geboren.
Meine Schulausbildung beendete ich 1966 in Hamburg und studierte anschließend bis Mai 1970 am Otto-Suhr-Institut (OSI) der FU Berlin Diplom-Politologe mit dem Hauptfach Außenpolitik bei Prof. Dr. Gilbert Ziebura. Während des Studiums absolvierte ich ein Praktikum bei Verwaltungsbehörden und erhielt eine Kurzausbildung bei einer Regionalzeitung im Obertaunuskreis. 1970/71 war ich in Italien Stipendiat am Bologna Center for Advanced International Studies der Johns-Hopkins-University, Baltimore, USA. Während dieser Zeit widmete ich mich Fragen des internationalen Rechts, der westeuropäischen Arbeiterbewegung, des Vergleichs der Beziehungen von Arbeit und wirtschaftlicher sowie sozialer Umwelt in verschiedenen Ländern Europas und den USA. Zurück in Berlin schrieb ich an meiner Dissertation und führte Lehrveranstaltungen am OSI durch. Die Promotion zum Dr. rer. pol. erfolgte im Januar 1975 mit dem Thema „Die Gründe für das veränderte Verhalten des Partito Comunista Italiano gegenüber der Europäischen Gemeinschaft. Ein Beitrag zum Verhalten nicht-systemkonformer Gruppen zu nationalem und supranationalem Überbau“ bei Professor Ziebura.

Von März 1974 bis Juni 1976 machte ich ein Referendariat für Bewerber mit einem abgeschlossenen sozialwissenschaftlichen Studium für den höheren allgemeinen nichttechnischen Verwaltungsdienst. Im Rahmen dieser Ausbildung führten mich längere Stationen in die Senatsfinanzverwaltung (Haushaltsrevision), in das Bezirksamt Zehlendorf (Personal und Verwaltung) und in die Senatsjugendverwaltung (Planungsgruppe) sowie an die Verwaltungshochschule in Speyer. Neben der praktischen fand eine intensive theoretische Ausbildung statt im allgemeinen und besonderen Verwaltungsrecht (Polizei-, Bau- und Bauplanungsrecht), Kommunal- und Beamtenrecht, BGB. Diese Ausbildung endete mit der Staatsprüfung für den höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst.


 Tätigkeiten in der Staatskanzlei Berlins

Nach einer Tätigkeit in der Planungsabteilung der Senatsverwaltung für Familie, Jugend und Sport kam ich ab März 1977 zum Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei –. Bei der Tätigkeit in der Senatskanzlei handelt es sich um die Beratung des jeweiligen Regierenden Bürgermeisters bei der Umsetzung politischer Vorgaben in das fachlich-politische Handeln der Senatsverwaltungen, um die Koordinierung des politischen und Verwaltungshandelns zwischen Regierendem Bürgermeister, Fachverwaltungen, Senat und Abgeordnetenhaus sowie um die Entwicklung von Grundsatzangelegenheiten und längerfristigen Planungen. Außerdem wird der gesamte Schriftwechsel des Regierenden Bürgermeisters für das Aufgabengebiet selbstverantwortlich wahrgenommen.

Der Einsatz als Regierungsrat in verschiedenen Referaten der Unterabteilung "Innere Politik" erlaubte das Kennenlernen des gesamten Spektrums der Arbeit einer Staatskanzlei: bis April 1978 war ich Vertreter des Referatsleiters für Wirtschaft, Finanzen, Arbeit und Soziales. Vom Mai 1978 bis zum Juni 1980 war ich als Referatsleiter für Finanzen, Arbeit und Soziales tätig. Im Juni 1980 wurden mir die Arbeitsgebiete Energiewirtschaft sowie Bau- und Wohnungswesen inklusive Mietrecht übertragen. In dieser Zeit beschäftigten mich insbesondere die Fragen der Energieversorgung und der Energieplanung (Bau des Heizkraftwerks Reuter-West, Vertragsverhandlungen mit der Sowjetunion und der DDR über Erdgaslieferungen für Berlin (West), der Bau eines Erdgasspeichers innerhalb der Stadt, Möglichkeiten eines Stromverbundes sowie Genehmigung und Errichtung des Forschungsreaktors BER II) mit ihren jeweiligen gesellschaftspolitischen Aspekten und den zugehörigen Bürgerbeteiligungsverfahren. 1980 wurde ich zum Oberregierungsrat und 1982 zum Regierungsdirektor ernannt. Während dieser Zeit schrieb ich meine Beiträge zur Publikation "Berliner Alltag im Dritten Reich", über Italien und San Marino zum Internationalen Gewerkschaftshandbuch sowie über die Erdgasversorgung von Berlin (West).


 Tätigkeiten während der politischen Wende

Nach der politischen Wende in der DDR begann noch vor der deutschen Einheit eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung von West- und dem Magistrat von Ost-Berlin, die ich als Mitglied der Expertengruppe Wohnungswesen des Provisorischen Regionalausschusses Berlin-Brandenburg mitgestalten durfte. Bereits im Juni 1990 zog ich als „Vorhut“ aus dem Westteil mit meinem Referat von der Senatskanzlei im Rathaus Schöneberg in das Rote Rathaus um und begann den Aufbau eines gemeinsamen Referates des Oberbürgermeisters und des Regierenden Bürgermeisters im Ostteil der Stadt für Angelegenheiten der Senatsverwaltungen für Bau- und Wohnungswesen, Stadtentwicklung und Umweltschutz sowie der Magistratsverwaltungen für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, Bauwesen und Umweltschutz. In dieser Zeit war ich u.a. mit der methodologischen Vorarbeit für die Erarbeitung von Konzepten der Landesregierung für die Hauptstadtplanung Berlins befasst. Diese Vorarbeiten fanden ihren Niederschlag im Bericht des Arbeitsstabes Hauptstadtplanung von Magistrat und Senat von Berlin.

Die aus seinerzeit sieben Mitarbeitern bestehende Arbeitseinheit im Roten Rathaus leitete ich bis August 1990. Dann wurde ich beauftragt mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Stellvertreters des Stadtrates für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Magistrats von Berlin und der Gemeinsamen Landesregierung (vergleichbar der Funktion eines Staatssekretärs beim Senat von Berlin). Gleichzeitig betreute ich die bisherigen Mitarbeiter von meinem neuen Dienstsitz aus, der sich im Neuen Stadthaus in der Parochialstraße befand.

Bis zum 25. Januar 1991 oblag mir nach innen die fachliche und personelle Leitung der Behörde mit rd. 1.200 Mitarbeitern. Hierzu gehörte nicht nur die Motivation und Anleitung zur Mitarbeit im Rahmen neuer gesellschaftlicher und rechtlicher Strukturen, sondern auch die Abwicklung der Magistratsverwaltung und die Überführung des Mitarbeiterstabes in drei verschiedene Senatsverwaltungen.

Nach außen gehörte zu meinen Aufgaben die Darstellung der Arbeit meiner Behörde im Fachausschuss der Stadtverordnetenversammlung von Berlin, zuweilen die Vertretung des Stadtrates vor der Stadtverordnetenversammlung sowie Verhandlungen mit ansiedlungswilligen Großinvestoren, Gespräche mit Verbänden, Interessengruppen, der Presse sowie der Bevölkerung. Gleichzeitig war ich im sich abzeichnenden Einigungsprozess in der Koordinationsrunde Deutsche Einheit auf Staatssekretärsebene tätig und vertrat die Magistratsverwaltung vor dem Einigungsausschuss des Abgeordnetenhauses und der Stadtverordnetenversammlung.

Im Februar 1991 kehrte ich nach der Bildung des neuen Senats zurück in die Senatskanzlei mit dem früheren Aufgabengebiet im Bereich der politischen Koordinierung. Im Oktober 1992 wurde mir die Leitung des Referates „Koordination von Großinvestitionen“ in der Abteilung Grundsatzangelegenheiten und Allgemeine Verwaltung der Senatskanzlei übertragen.


 Tätigkeit in der Stadtentwicklungsgesellschaft Eldenaer Straße mbH

Im November 1992 bestellte mich der Aufsichtsrat der Stadtentwicklungsgesellschaft Eldenaer Straße mbH zum kaufmännischen Geschäftsführer dieser Gesellschaft, die als Treuhänder für Berlin tätig war. Für diese Tätigkeit wurde mir aus Gründen des öffentlichen Interesses Sonderurlaub zunächst für die Dauer von fünf Jahren und sodann erneut für die Dauer von drei Jahren bis zum 31. Dezember 2000 gewährt. >>> mehr zur Gründung

Der Auftrag des Landes Berlin an die Stadtentwicklungsgesellschaft Eldenaer Straße mbH zielte auf die Errichtung eines neuen Stadtquartieres mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, sozialer Infrastruktur sowie Anlagen für Freizeit und Erholung und umfasste die Erarbeitung der Entwicklungsverordnung für den städtebaulichen Entwicklungsbereich Alter Schlachthof, die Koordination der Erarbeitung des städtebaulichen Rahmenplanes sowie der daraus zu entwickelnden Bebauungspläne, städtebauliche Ideen- und Realisierungswettbewerbe, die Klärung der Eigentumsverhältnisse, den Rückbau vorhandener Bausubstanz, den Bau der stadttechnischen (leitungsgebundene Medien) und verkehrlichen Erschließung (Straßen und eine Brücke), den Bau von Grünanlagen, Rekonstruktionsmaßnahmen im denkmalgeschützten Bestand und den Neubau von Gemeinbedarfseinrichtungen sowie die Vermarktung von zu privatisierendem Bauland an bauwillige Investoren. Bis zur Beendigung meiner Tätigkeit bei der GmbH zum Ende des Jahres 2000 wurde ein Drittel des zu verkaufenden Baulandes an Investoren verkauft und die stadttechnische und verkehrliche Grunderschließung geschaffen, so dass sich das neue Stadtviertel bei meinem Ausscheiden in der aktiven baulichen Realisierungsphase befand.

Als kaufmännischem Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft Eldenaer Straße mbH oblagen mir neben den zuvor beschriebenen Aufgaben die personelle und finanzielle Zuständigkeit für die 10 Mitarbeiter der GmbH, die juristischen Angelegenheiten der GmbH und des Treuhandvermögens sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Die finanzielle Verantwortung bezog sich auf einen Jahresetat von jährlich rd. 2,5 Mio. DM im Gesellschaftsvermögen und einen Etat in den letzten Jahren jeweils zwischen 20 bis 30 Mio. DM beim für das Land Berlin innegehaltenen Treuhandvermögen. Neben der jährlichen Fortschreibung der städtebaulichen Kosten- und Finanzierungsrechnung der Entwicklungsmaßnahme gehörten die Darstellung und insbesondere die Rechtfertigung der Aktivitäten als Treuhänder in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses von Berlin, die Prüfung durch den Rechnungshof von Berlin sowie die Prüfungen der Gesellschaft durch die Finanzämter (Lohnsteuer, Körperschaftssteuer) und die Sozialversicherungsträger (AOK) zum Tagesgeschäft. Die Vorlagen für die Aufsichtsratssitzungen inklusive der jährlichen Wirtschaftspläne für das GmbH- und das Treuhandvermögen wurden von mir erarbeitet und die Ergebnisse protokolliert.

Der Umgang mit neuen Medien und Kommunikationsformen war ein wesentlicher Teil der Arbeit in der GmbH. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wurden unter meiner Verantwortung städtebauliche und architektonische Modelle gefertigt, eine Vielzahl der unterschiedlichsten Druckerzeugnisse (Wettbewerbs- und Ausschreibungsbroschüren, Berichte über den Planungsverlauf, das Buch „Skizzen für ein neues Stadtquartier“ (von Marc Kocher ), Plakate, Postkarten, flyer, die vierteljährlich erscheinende Zeitung „Wir über uns“, Faltblätter zur Information der Öffentlichkeit über das Entwicklungsvorhaben in mehreren Auflagen und vier Sprachen, „Entwicklungsgeschichtliche Blätter“) hergestellt, viele Ausstellungen sowohl in Berlin als auch im Ausland organisiert, sonstige Veranstaltungen (z.B. Investorenkonferenzen) und events (wie z.B. „Heute in der Ewigkeit – Richard Wagner auf dem Alten Schlachthof“ im Rahmen des Tags des Offenen Denkmals 2000) durchgeführt, die unterschiedlichsten Delegationen und Besucher aus dem In- und Ausland betreut, reger Kontakt zur Berliner Presselandschaft gehalten und der Auftritt im Internet realisiert.

Ad hoc wurden immer wieder Vorträge gehalten, so z.B. auch bei Besuchen ausländischer Delegationen wie z.B. im Oktober 2000 der Staatssekretärin des Ministerium für Landwirtschaft und Forsten mit Ministerialbeamten und Bürgermeistern der Provinz Jiangsu aus der Hauptstadt Nanking, die sich in Deutschland über neuere Tendenzen der Stadtentwicklung und über die Revitalisierung brachgefallener staatlicher Kombinate und ehemals militärisch genutzter Flächen sowie deren Umbau informierten. Über die Entstehung von Groß-Berlin 1920 sowie die Fusion der Bezirke Berlins und die Verwaltungsreform wurde von mir als Beispiel für die in Jiangsu geplante administrative Zusammenlegung von Dörfern, Gemeinden und Städten zu neuen Großstädten referiert.


 Neue Aktivitäten nach dem Eintritt in den Ruhestand

Nach der Beendigung meiner Tätigkeit auf dem Alten Schlachthof war ich bis zu meiner Pensionierung erneut bei der Grundsatzabteilung der Senatskanzlei mit dem Aufgabengebiet „Hauptstadtbezogene Investitionsvorhaben“ und der „Umsetzung der BerlinStudie – Strategien für die Stadt“ tätig. Nach der Auflösung der Grundsatzabteilung der Senatskanzlei trat ich auf eigenen Antrag hin zum 1. Juli 2002 in den einstweiligen Ruhestand und wurde ab Juli 2005 in den endgültigen Ruhestand versetzt.

Wie diese Darstellung zeigt, hatte ich mir ein umfangreiches einschlägiges Fachwissen innerhalb und außerhalb von Verwaltungen angeeignet und Erfahrungen in der Personalführung großer und kleiner Organisationseinheiten gesammelt. Ohne die Zuverlässigkeit und die Fähigkeiten meiner Mitarbeiter, denen mein andauernder Dank und hohe Anerkennung gilt, aber auch meine eigene, große Belastbarkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Kooperationsfähigkeit sowie die ständige Anleitung und Motivation der Mitarbeiter wären die Erfolge in den zuvor beschriebenen, verschiedenen Phasen meines Arbeitslebens aber nicht möglich gewesen.

Dieter Blümmel, Herausgeber der Zeitschrift „Das Grundeigentum“, schrieb im Jahr 2002 auf Seite 757: “ Dr. Rainer W. Klaus, über viele Jahre hinweg das marktwirtschaftliche Gewissen Eberhard Diepgens in der Senatskanzlei, später für ein paar Jahre Geschäftsführer des Entwicklungsgebietes Eldenaer Straße, dann wieder zurück in der Senatskanzlei, tritt zum 1. Juli 2002 in den einstweiligen Ruhestand. Langeweile wird der Griechenland-Fan nicht haben. Auf einer griechischen Insel besitzt er einen Weinberg, wo er Malvasia anbaut. Die Rebstöcke hatte er sich vor einigen Jahren aus Lanzarote besorgt (MalvasLanz). Und da die Trauben in südlichen Gefilden ohne viel Zutun reifen, bleibt dem Ruheständler sicherlich auch Zeit, einem weiteren Hobby nachzugehen: Reisebücher zu schreiben.“ Reisebeschreibungen gab es aber dann erst später, denn ich dachte, meine Erfahrungen als Projektentwickler noch eine Zeit lang vermarkten zu können.

Wie bei vielen meiner ehemaligen Kollegen auch, legten meine Erfahrungen aus der Umgestaltung des ehemaligen Schlachthofgeländes zu einem städtebaulich integrierten Stadtquartier es nahe, nach der Pensionierung erst einmal eine Beratungstätigkeit bei der Projektentwicklung urbaner Strukturen zu beginnen. Bei meinen Projekten handelte es sich einerseits um ehemalige Standorte großer DDR-Kombinate, andererseits um sogenannte Konversionsflächen, also Militärstandorte der Sowjetunion und der Streitkräfte der DDR, die auf Grund der deutschen Einheit aufgegeben worden waren und einer neuen Nutzung zugeführt werden sollten.
Die Tätigkeit als Berater und Gutachter ist eine vom Auftraggeber abhängige Dienstleistungstätigkeit. Während ich in meiner Tätigkeit auf dem Alten Schlachthof selbst die Auftraggeberseite vertreten hatte, stand ich nun in meinen zeitlichen Dispositionen in Abhängigkeit von den Auftraggebern, die wiederum selbst von zögerlichen staatlichen Stellen abhängig waren. Deshalb mussten z. B. meine Reisepläne nach Griechenland mehrfach verschoben oder völlig aufgegeben werden, weil die Auftraggeber die Abschlussdiskussion meiner Gutachten und damit deren Abnahme zeitlich verzögerten oder auch direkt auf die lange Bank schoben.


 China als neuer Lebensabschnitt

Es war deshalb ein glücklicher Zufall, dass sich für mich ein neuer Lebensabschnitt auftat, in dessen Mittelpunkt China rückte. Bereits während meiner Schulzeit hatte ich ein hohes Interesse für Ostasien entwickelt. Aber die Volksrepublik China war zu einem abgeschotteten Land geworden. Zwar gab es schon 1972 ein Treffen zwischen Mao Zedong und dem amerikanischen Präsidenten Nixon in Beijing. Aber erst die Öffnungspolitik Deng Xiaopings in der Nachfolge der Kulturrevolution, dem Tod Mao Zedongs und dem Ende der Herrschaft der Vierer-Bande machten nach 1979 intensivere Kontakte zwischen China und der westlichen Welt wieder möglich.

Während in der DDR bereits seit längerer Zeit Wissenschaftler aus China studierten und das Herder-Institut in Leipzig den Deutschunterricht für Chinesen organisierte, war es in der Bundesrepublik Deutschland die in Berlin (West) ansässige TU, die frühzeitig zur Förderung der deutschen Sprachkenntnisse als technologieorientiertes Deutsch für künftige chinesische Studenten in der Bundesrepublik Deutschland Kooperationen mit wichtigen Universitäten Chinas aufbaute. Bereits 1981wurde das ZTZ für die Zusammenarbeit mit China gegründet. 1983 entstanden Kooperationsabkommen mit dem BIT (Beijing Institute of Technology), der Zheda (Natur- und Ingenieurwissenschaftliche Universität der Provinz Zhejiang), der Nungda (Landwirtschaftliche Universität der Provinz Zhejiang) und der Tongji Universität in Shanghai, wo ein „Deutsches Sprachzentrum“ in der Fremdsprachenabteilung dieser Universitäten entstand. Die TU hatte an die Sprachzentren in Beijing, Shanghai und Hangzhou neben dem chinesischen Lehrpersonal langfristig Muttersprachler als Fachpersonal für DaF (Deutsch als Fremdsprache) sowie Kurzzeitdozenten für den normalen Sprachunterricht entsandt. Ab 1984 wurden chinesische DaF-Lehrer der Partneruniversitäten mit dem Ziel der Qualifizierung zu mehrmonatigen Weiterbildungsaufenthalten an die TU eingeladen.

Nach einer Kurzzeitdozentur des TU-DaF-Professors in Hangzhou lernte ich mit ihm im Oktober 1987 auf einer Bahnfahrt erstmals einige der kulturellen Höhepunkte Chinas kennen: „Kreuzfahrt auf Schienen – Der Sonderzug Peking Orientel Express“ war eine gemeinsame Veranstaltung des Eisenbahnministerium Chinas und eines deutschen Reiseveranstalters für 85 Eisenbahn-Begeisterte und kulturell Interessierte aus vielen Ländern Europas. Der Schlafwagen-Sonderzug bestand aus Luxus-Schlafwagen für die Gäste, 2 Speisewagen sowie Schlaf- und Dienstwagen für 40 dienstbare Geister. Für die Eisenbahnfreunde gab es eisenbahnspezifische Angebote, während die Kulturreisenden die Glanzlichter chinesischer Kultur kennenlernen konnten: Tempel und Paläste in Beijing, Ming-Gräber und Große Mauer, Datong mit der Neun-Drachen-Mauer, die Felsengrotten von Yungang, Xian mit der Terrakotta-Armee, die große Brücke über den Yangzi-Strom und Nanjing mit der Heiligen Allee und dem Mausoleum Sun Yatsens, des Begründers der chinesischen Republik 1911. Von Wuxi aus gab es eine Schiffsfahrt auf dem Kaiserkanal nach Suzhou, von dort aus wieder mit dem Zug nach Shanghai mit seinen vielfältigen touristischen Attraktionen und Hangzhou, das später für mich so wichtig werden sollte, mit seinem Westsee, dem Linjing-Tempel und dem Buddha-Felsen. Von Guilin aus gab es eine unvergessliche Bootsfahrt auf dem Li-Fluss mit anschließender Weiterreise über Guanzhou (Kanton), wo uns die Jungen Pioniere des Eisenbahnministeriums zur Fahrt mit der normalen Eisenbahn nach Hong Kong verabschiedeten. Nach einer zweitägigen Besichtigungstour in Hong Kong fand meine erste und mich tief beeindruckende China-Reise durch den Rückflug nach Deutschland ihr Ende.

Dem intensiven wissenschaftlichen Austausch Chinas mit der Außenwelt setzte der Zwischenfall vom Juni 1989 auf dem Tiananmen ein jähes Ende. Die sich zu diesem Zeitpunkt in Deutschland befindlichen Weiterbildungsdozenten blieben alle ohne die Erlaubnis ihrer Heimatuniversitäten in Deutschland. Einige dieser hier „gestrandeten Wissenschaftler“ blieben dauerhaft in Deutschland, andere wurden viele Jahre später mit einer deutschen Promotion zu führenden Wissenschaftlern und Wissenschaftsmanagern in China.

Während nach dem Tiananmen Zwischenfall offiziell eine Eiszeit zwischen den staatlichen Wissenschaftsorganisationen beider Länder begann, wurden auf der persönlichen Ebene die Kontakte in der Hoffnung auf bessere Zeiten weiterhin gepflegt und entwickelt. Diese Zeitenwende wurde allen Beteiligten deutlich, als die TU gemeinsam mit dem DAAD 1991 und 1995 Fortbildungsseminare in Methodik und Didaktik der deutschen Sprache sowie in Landeskunde für chinesische Lehrkräfte der deutschen Sprache aus den Universitäten aus allen Landesteilen Festland-Chinas veranstaltete. In beiden Fällen war ich für die Landeskundefortbildung zuständig.

Unser Wohnhaus in Berlin hatte sich zwischenzeitlich in eine „rote Kaderschmiede“ verwandelt. Der ehemalige griechische Buchladen war zu einem Seminar für Kurse der summer schools umgebaut worden, die ein Verein von TU-DaF-Dozenten für die Partneruniversitäten organisierte. In unserer Studentenwohnung wurden Dissertationen zu DaF in China geschrieben, deren Verfasser später zu Professoren in China berufen wurden. Hierzu gehörte auch der im Jahr 2000 ans Deutsche Sprachzentrum in Hangzhou berufene neue Leiter, der sich sehr darum bemühte, für den Lehrkörper des Sprachzentrums neue Muttersprachler zu gewinnen; er war es auch gewesen, der seiner gerade aus 4 einzelnen Fach-Universitäten zu einer fusionierten Voll-Universität empfahl, den ehemaligen Vizepräsidenten der TU zum Dekan der vereinigten neuen Fremdsprachenfakultät zu berufen. Dieser wurde der erste und auch einzige ausländische Dekan einer chinesischen Fakultät und von den Studenten wie ein Pop-Star gefeiert.

Nach dem Intermezzo als Berater und Gutachter für Projektentwicklungen wurde ich zeitgleich mit dem deutschen Dekan in Hangzhou ab Herbst 2003 für 5 Jahre fester Mitarbeiter für Landeskunde und Deutsch mit selbst hergestellten Lehrmaterialien für Anfänger. Feste Kurse für Fortgeschrittene gab ich in Wirtschaftsdeutsch. Der Unterricht fand als Blockunterricht im Frühjahr nach dem chinesischen Neujahrsfest und im Herbst nach der „Goldenen Woche“ anlässlich des Gründungstags der Volksrepublik am 1. Oktober und der militärischen Einführung und Ausbildung der Erst-Semesterstudenten statt. An den schriftlichen Prüfungen war ich über das internet beteiligt und im Sommer kümmerte ich mich jeweils um meine Studenten des zweiten Studienjahres, die nach meiner Vorbereitung auf die summer school nach Berlin gekommen waren. Der chinesische Jahreslauf hatte auf mich stärkere Auswirkungen als die christlichen Feiertage in Deutschland und Griechenland. Der Frühjahrsaufenthalt war jeweils mit Eis und Schnee, der Herbstaufenthalt mit großer Hitze, Dauerregen und gefährlichen Taifunen verbunden.

Meinen chinesischen Kollegen gab ich Hilfestellung in der Qualifizierung wissenschaftlichen Arbeitens, bei der Entwicklung neuer Sprachlehrwerke und bei Test-Daf-Vorbereitungskursen. Jahrelanges Korrekturlesen einschlägiger Veröffentlichungen und meine Anwesenheit bei den vielen Fortbildungsveranstaltungen und Konferenzen der vergangenen Jahre hatten mich für diese Lehrtätigkeit fit gemacht. Berichte aus dem Frühjahrsaufenthalt 2006 und dem Herbstaufenthalt 2007 enthalten viele interessante Einzelheiten über Land und Leute sowie meine dortige Arbeit. Die Goldene Woche 2007 nutzte ich zu einem Abstecher auf die Inselwelt von Hong Kong. Mein letzter wissenschaftlicher China-Aufenthalt war im Herbst 2011 zu einer Konferenz am BIT über chinesisch-deutsche Literatur- und Kulturbeziehungen, in deren Anschluss ein Besuch bei den befreundeten Wissenschaftlern in Shanghai und Hangzhou stattfand. Hierüber liegt ein schriftlicher Bericht vor.

Zu meinem Herbstaufenthalt im Jahre 2004 war ich von Moskau aus mit der transmongolischen Eisenbahn nach Peking und von dort aus mit dem Flugzeug nach Hangzhou gekommen. Diese Eisenbahnfahrt durch die Mongolei, aus chinesischer Sicht Äußere Mongolei genannt, machte mich nachhaltig neugierig sowohl auf das Staatsgebiet der Mongolei mit seiner Hauptstadt Ulan Bataar als auch auf die auf chinesischem Staatsgebiet liegende Innere Mongolei mit ihrer Hauptstadt Urumtschi. In meiner Jugend hatte ich die Bücher „Großer Tiger und Kompassberg“ und „Null Uhr fünf in Urumtschi“ von Fritz Mühlenweg gelesen, der seine ethnologischen Kenntnisse zu spannender Unterhaltung über eine Reise zweier deutsch-chinesischer Freunde von Peking nach Urumtschi in den Wirren der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts verarbeitet hatte. Außerdem hatte ich in meiner Jugend die Bücher von Sven Hedin über den östlichen Teil der Wüste Taklamakan, das Tarim-Becken, in Sinkiang (Xinjiang) gelesen und begann, mich mit der Seidenstraße und den deutschen Turfan-Expeditionen vor dem ersten Weltkrieg zu beschäftigen.

Bevor ich allerdings die chinesischen Routen der Seidenstraße kennenlernen konnte, unternahm ich 2006 in Zentralasien eine Reise auf den Spuren der Seidenstraße mit einem Sonderzug von Almaty in Kasachstan durch Usbekistan nach Turkmenistan. Aus gesundheitlichen Gründen konnte ich damals nicht alle mir angebotenen touristischen Möglichkeiten nutzen, so dass ich diese Sonderzugreise im Jahre 2010 erneut unternahm. Im Jahre 2008 unternahm ich von Urumtschi aus eine Rundreise um das Tarim-Becken bis nach Kashgar im Westen, dann nördlich entlang des tibetischen Hochlandes und quer durch die Todeswüste bis nach Turfan und an das westliche Ende der Großen Chinesischen Mauer bis nach Xian, dem Beginn der Seidenstraße in China. Auch über diese Reise liegt ein Bericht vor. Auf dieser Reise kam ich an einem Wegweiser vorbei: „Lhasa“. Nie war ich dieser Stadt so nahegekommen, in die ich wegen des Buches „7 Jahre in Tibet“ von Heinrich Harrer gerne eine Reise unternommen hätte. Aber als es später eine Eisenbahn-Linie hinauf nach Lhasa gab, waren mir solche Reisen aus gesundheitlichen Gründen völlig unmöglich geworden.

Meine letzte Asienreise fand im Juli 2015 in die Mongolei statt, wo es nach den Nationalfeiertagen des Naadam-Festes mit Bogenschießen der Männer und Frauen, Pferderennen, Ringkämpfen und Knochenschießen per Flugzeug in die Wüste Gobi ging, von wo aus es niemals auf Straßen, immer nur auf neu zu findenden nach Norden führenden Pisten, mit einem Kleinbus durch Wüste, Steppe und Grasland bis ins bewaldete und von Seen und Flüssen durchsetzte Hochgebirge der Mongolei ging, letztlich nach Osten bis zurück nach Ulan Bataar. Die lamaistische Kultur der Äußeren Mongolei hatte die Sowjetunion während der Zeit der politischen Abhängigkeit von Moskau zerstört. Geblieben war dem Land aber eine wunderbare Natur von beeindruckender Schönheit und Überzeugungskraft (mehr hierzu).


 Ausblick in die nächsten Jahre

Seit dem Jahre 2004 stellten sich schrittweise immer mehr gesundheitliche Probleme ein und ich sprach von mir selbst als einem größer werdenden Ersatzteillager. Fernreisen, wie ich sie bisher gewohnt war, wurden zu einer Belastung. Die gewöhnlicher Weise drei Mal im Jahr stattfindenden Griechenland-Reisen hingegen entwickelten sich zu Rehabilitationsaufenthalten, bei denen Tagesausflüge in die entlegensten Bergregionen mich zu einem erfahrenen Lakonien-Experten werden ließen. Dies schlug sich zwar nicht mehr in neuen Publikationen über Griechenland, dafür aber in einer reichen Foto-Sammlung über Lakonien nieder. Auch das Monemvasia-Buch erlebte bis zur endgültigen Einstellung des Verkaufs 2018 noch einige Aktualisierungen in neuen Auflagen.

Älter werden führt aber auch zu neuen Verhaltensmustern: Bei Wochenendausflügen nach Warschau und Krakau, wurde mir klar, dass Polen früher kein cordon sanitaire Russlands bzw. der Sowjetunion, sondern seit Jahrhunderten ein integraler Bestandteil Mitteleuropas gewesen war. Bei mir kam deswegen auch Interesse für das Baltikum auf. Hierfür bot sich eine Kreuzfahrt mit Landausflügen für die Generation 70plus geradezu an. Bei einer Kreuzfahrt durch die Ostsee im Juni 2016 mit Stationen in Danzig, Klaipeda, Riga, Tallin, St. Petersburg, Helsinki und Stockholm eröffneten sich völlig neue Perspektiven auf Nordosteuropa. Außerdem hatte ich Gelegenheit, in Klaipeda nach meinem Geburtshaus, dem Hafenbauamt, zu suchen: es war für ein Einkaufszentrum abgerissen worden. Auf der Kurischen Nehrung besuchte ich nicht nur die Dünen, in denen meine Mutter mit meinem älteren Bruder die Sommertage verbracht hatte, sondern auch das Sommerhaus von Thomas Mann, das er auf einem von der Republik Litauen gepachteten Grundstück errichtet hatte und nur drei Mal nutzen konnte, bevor er ins amerikanische Exil emigrierte.

Meine Berliner Tage sind geruhsamer geworden, seit die wesentlichen Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen in unserem Haus abgeschlossen sind und damit meine begeisterte Wahrnehmung der Bauherrenfunktion entfallen ist. Besonders gelohnt hat sich der dreijährige Kampf mit den Behörden um die Errichtung eines Aufzuges (Grundeigentum 2004) im Hof des Hauses mit einem behindertengerechten Zugang von der Straße her: ohne dieses Hilfsmittel könnte ich heute nicht mehr im obersten Geschoss des Hauses wohnen. Die Hausverwaltung nimmt weiterhin einen großen Anteil meiner Zeit in Anspruch.

Nach zwei Operationen und drei Wochen am überlebensspendenden Tropf im Frühjahr 2019 besteht meine Tagesleistung jetzt vornehmlich aber darin, für die Vielzahl meiner unterschiedlichsten Sammlungen Archive, Museen und Bibliotheken als Abnehmer zu finden, so dass sie der Nachwelt in Depots erhalten bleiben. Es wäre doch zu schade, die Sammeltätigkeit vieler Jahre im Abfallcontainer ihr Ende finden zu lassen.