...endlich!
Abitur -- Griechenland
24. I. 1966
steht als Widmung auf dem Vorsatzblatt meines Kirsten-Kraiker: Griechenlandkunde - ein Führer zu klassischen Stätten.
Ausgelöst wurde mein aus der Schulzeit stammendes Interesse an Griechenland durch die Teilnahme an der Arbeitsgemeinschaft Archäologie in der Oberstufe des Matthias-Claudius-Gymnasiums in Hamburg (bei Dr. Dieter Matthes). Grundlagen dieses Unterrichts waren der 1. Band des Werkes Kunst des Abendlandes - Vorderer Orient und Antike, sowie anregende Dia-Vorführungen und Vorträge. Behandelt wurde die antike Welt von ihren Anfängen im mesopotamischen Gebiet bis zu ihrem Niedergang am Ende des Römischen Reiches. Ein besonderes Gewicht des Unterrichts lag auf der griechischen Kunst als einer ersten Selbstverwirklichung des Europäischen in der Geschichte der Kunst. Der Archäologie-Unterricht faszinierte mich zutiefst und ich fasste den Entschluss, nach dem Abitur nach Griechenland zu reisen, um das neu Erlernte in der Realität zu erfassen.
Für eine gemeinsame Reise mit dem Auto nach Griechenland konnte ich eine ältere Freundin gewinnen (Sigrid Krumm); sie hatte einen VW und ich machte in Vorbereitung der Reise meinen Führerschein. Als Reisezeit hatten wir Mitte Februar bis Mitte März 1966 ausgewählt. Im April sollte dann das Studium beginnen. Leider sind Februar und März die kältesten Monate in Griechenland und wir waren oftmals durch hohen Schnee im Gebirge im Fortkommen behindert.

Viel Schnee und kurvige Gebirgsstrecken: ich musste mich sehr schnell zu einem erfahrenen Autofahrer entwickeln.
Zur weiteren Reisevorbereitung diente Erhart Kästners Buch Ölberge, Weinberge in der von nationalsozialistischen Textteilen bereinigten Fassung von 1956. Wir haben dies Buch wie Empfehlungen in einem Reiseführer verarbeitet. Ursprünglich war das Buch mit Zeichnungen von Helmut Kaulbach 1942 unter dem Titel Griechenland - Ein Buch aus dem Kriege erschienen, "von Soldaten für Soldaten geschrieben", wie es im Vorwort heißt. Auch dieses Werk legt den Schwerpunkt aus ideologischen Gründen auf die hohe Gleichheit zwischen dem antiken und dem neuzeitlichen Griechenland. Gleichwohl gibt Kästner auch dem byzantinischen Einfluss einen breiteren Raum.
Im Rahmen meiner ersten Griechenland-Reise stellte ich dann aber fest, dass Griechenlands Realität nur wenig mit der Antike, dafür umso mehr mit byzantinischen und türkischen Einflüssen überkrustet war. Ein Ergebnis dieser Reise war, dass der Wunsch in mir reifte, ein Haus in der bewaldeten Gegend Attikas beim Amphiarion-Heiligtum oberhalb von Skala Oropos zu kaufen und deshalb baldmöglichst wieder nach Griechenland zu reisen.
Die nächste Reise fand bereits während der Semesterferien im Sommer 1966 statt. Ich studierte Politische Wissenschaften am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin. Einer meiner Kommilitonen, mit dem ich befreundet war, war Grieche (Arthur David Calamaros). Gemeinsam mit ihm, einem Schäferhund-Welpen namens Siegfried und zwei weiteren Kommilitonen (Gerd Junne, Hannelore Börgel) fuhren wir für die Sommerferien zu seinen Eltern im vornehmen Athener Vorort Ekali. Hier traf ich mit vielen der seinerzeit in der griechischen Politik wichtigen Personen zusammen und erhielt durch die Diskussionen mit Ministern und Parteiführern einen guten Einblick in die aktuelle politische Situation Griechenlands und deren Protagonisten. Wenig später, am 21. April 1967, fand der faschistische Staatsstreich statt und eine Junta übernahm die Regierung in Griechenland.


Weitere Aufenthalte während der Semesterferien in Ekali folgten. Aber bei keinem Mal kam ich dem Ziel eines Grundstückskaufs näher. Immer, wenn ich um Hilfestellung bei der Grundstückssuche bat, wurde ein Termin nach dem anderen verschoben. Ich kam mit der Realisierung eines eigenen Häuschens in Griechenland einfach nicht voran.
Griechenland wurde mir durch weitere Reisen immer vertrauter: im Sommer 1969 ging es durch Thessalien entlang der griechischen Nordgrenze nach Joannina und von dort aus an der adriatischen Küste nach Süden, bei Rion hinüber zur Peloponnes, durchs innerste Arkadien an die Küsten Messeniens, Lakoniens und die östlichen Gestade der Peloponnes nach Attika. In dieses Jahr fällt auch mein erster Aufenthalt in Monemvasia, die Stadt, die für mein weiteres Leben so bedeutsam werden sollte. Die griechische Inselwelt, insbesondere die Kykladen mit den Schwerpunkten Delos und Santorin sowie mehrfach die Insel Kreta, habe ich erst nach meinem Hausbau bei Monemvasia kennengelernt.


Bereits im nächsten Sommer 1970 gab es in meinem VW eine Rundfahrt durch die Peloponnes mit einem befreundeten Ehepaar aus Berlin. Ihn kannte ich seit Kindheitstagen in Hamburg (Karl-Heinz Buller), seine Frau war Griechin (Mirka Dzemendzakis), zwei Kinder waren mit von der Partie. Wir hatten den Kindern zugesagt, dass wir auch noch auf eine Insel fahren würden, aber unsere finanziellen Mittel waren dafür nicht mehr hinreichend. So kam ich auf die Idee, nach Monemvasia zu fahren und für die Kinder einen Ritt auf einem Esel zu organisieren und anschließend auf dem Felsen von Monemvasia "ganz demokratisch" mit den vom Eselsritt beeinflussten Kindern darüber abzustimmen, dass dieser Felsklotz im Meer die Insel sei, die wir hatten besuchen wollen. Abends nahmen wir dann am Kirchweihfest eines etwas außerhalb von Monemvasia liegenden Dorfes teil, wo der Eselsritt stattgefunden hatte.


Auf diesem Kirchweihfest am 26. Juli 1970 wurde der Weg für mein eigenes Häuschen in Griechenland geebnet. Dino, der Eselsbesitzer, bot sowohl dem Ehepaar als auch mir an, uns ein Grundstück im Dorf zu verkaufen und unser Vertrauter und Unterstützer bei der Realisierung des Hauses zu werden. Gern wollte die Griechin ihren "noch ungeborenen Kindern eine Heimat schaffen", und sie hielt bei diesem Ausspruch ihre Hand auf den Bauch, als wenn sie schwanger wäre. Meine beiden Mitreisenden schlossen wenige Tage später einen Vorvertrag über ein Grundstück; ich selbst kam im Mai 1972 (mit Heidrun Hesse) zurück, um Lage und Preis zu verhandeln. Der notarielle Vertrag wurde am 21. Juli 1972 geschlossen und der Hausbau begann einen Tag später in aller Frühe, um der Hitze des Nachmittages entgehen zu können. Ich war glücklich, nunmehr ein Häuschen direkt am Meer zu bekommen und den schönen Kiefernwald beim Amphiarion vergessen zu können. Wenige Jahre später brannte der Wald ab. Das Häuschen am Meer hat bisher allen Widrigkeiten wie Erdbeben und Bränden in der Umgebung widerstanden.


Den Bauplan für das Haus am Meer hatte mein Hamburger Freund aus den Kindheitstagen entworfen. Mir hatte immer ein Haus mit einem inneren Säulenhof vorgeschwebt. Er stülpte diese Idee einfach um und zeichnete ein Haus mit zwei pyramidenförmigen Dächern über den Wohnräumen und umlaufenden Pfeilerhallen an zwei Seiten des Gebäudes, weil der Aufenthalt in den außen liegenden, luftigen Pfeilerhallen in den heißen griechischen Sommertagen erträglicher sei, als in einem Innenhof. Die Realisierung war wegen der Streckung der Baukosten über eine längere Zeit in zwei Bauabschnitten vorgesehen: Zuerst sollte auf dem ansteigenden Baugrund die Bodenplatte für das gesamte Gebäude hergestellt werden und dann die eine Hälfte des Hauses mit einem Wohnzimmer, zwei Schlafkammern, Bad und Küche sowie der dem Wohnzimmer vorgelagerten Pfeilerhalle gebaut werden. Im zweiten Bauabschnitt sollten dann ein weiteres großes Wohnzimmer und die zwei restlichen Teile der Pfeilerhallen entstehen.


Es stellte sich schnell heraus, dass die Baumaterialien für beide Bauabschnitte gemeinsam eingekauft werden mussten und die Baukosten sich bereits während der ersten Bauphase schnell verteuerten, so dass es aus Kostengründen sinnvoll erschien, gleich das gesamte Haus bis zum durch Türen und Fenster geschlossenen Rohbau zu errichten. Da ich nicht so viel Geld flüssig hatte, trug ich meinem Freund Ulrich Steinmüller an, in das griechische Hausprojekt finanziell und tatkräftig mit einzusteigen. Ulrich und ich fungierten auf der Baustelle als Bauherren und nahmen gleichzeitig gemeinsam die Funktion nur eines Bau-Hilfsarbeiters ein. Diese wunderbare Zusammenarbeit dauert bis heute an.


Im kalten Frühjahr des nächsten Jahres 1973 kamen wir zurück und mussten feststellen, dass unser Grundstücksverkäufer Dino sich in unserem Rohbau als Schuppen häuslich eingerichtet hatte und unsere für einen Schuppen vorgesehenen Baumaterialien zu seinem eigenen Ziegenstall verarbeitet hatte. Er war offensichtlich davon ausgegangen, dass wir nicht wiederkommen würden, so wie es bereits mit den wenigen ausländischen Grundstückskäufern passiert war, die vor uns gekauft hatten. In der Tat war unser Haus das erste ausländische Haus in der Umgebung westlich von Monemvasia, das tatsächlich in Bau ging und auch fertig gestellt wurde. Wegen der Hausbesetzung und des Diebstahls unserer Baumaterialien kam es zu einem ernsten Streit mit Dino. Ich bestand darauf, die Situation ohne Polizei oder Gericht zu klären und erreichte stattdessen, dass der Bürgermeister eine Dorfversammlung einberief, auf der das Thema beraten wurde. Anschließend verkündete der Bürgermeister auf einem Erdhügel stehend das Urteil: Dino musste im Sommer die entwendeten Baumaterialien ersetzen. Die Tatsache, diesen Vorgang allein in unserem Dorf und ohne Polizei zu klären, hat uns bei unseren Nachbarn ein bis heute andauerndes hohes Ansehen verliehen.


Als das Haus entstand, gab es von Monemvasia zum Dorf weder eine asphaltierte Straße noch Elektrizität. Zwischen dem Grundstück und dem Meer existierte nur eine schmale, befahrbare Sandpiste, von der anzunehmen war, dass sie von der NATO einmal zu einer panzergerechten Umrundung der Peloponnes ausgebaut werden könnte. Die Asphaltstraße entstand dann bis zur Badestelle am Dorfeingang vor unserem Haus, weil ein General der Junta sich im Einzugsbereich des Dorfes ein Grundstück gekauft hatte und er mit seinem Auto bis zur Badebucht fahren wollte. Beim Hausbau war bereits alles für die Elektrizität berücksichtigt worden. Aber erst 1974 wurde auch unser Dorf elektrifiziert. Eine leitungsgebundene Trinkwasserversorgung hatte das Dorf gerade kurz vor meinem Grundstückserwerb bekommen.


In den ersten Jahren nach der Ansiedlung hatten wir immer viele Gäste im Haus und sehr schnell entwickelte sich die Notwendigkeit, für unsere Besucher Informationsmaterial über Monemvasia zusammen zu stellen. Ich übersetzte einige Materialien aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Englischen und versuchte, diese Texte durch Fußnoten zu aktualisieren. Das Ergebnis blieb unbefriedigend, so dass der Entschluss reifte, eine eigene Broschüre zu Architektur und Geschichte der Stadt zu schreiben. Die Zeit bis Mitte 1976 verbrachte ich damit, die zusammengetragenen Informationen auf Karteikarten zu erfassen. Ulrich erhielt dann die Karteikarten zum Schreiben der Geschichte, ich bearbeitete die Karteikarten zur Architektur und zur Stadtbeschreibung. Jeder arbeitete 3 Monate alleine an seinem jeweiligen Arbeitsprogramm, dann wurde daraus ein gemeinsamer Text gemacht, der einen Monat lang in abendlichen Sitzungen diskutiert wurde, bis wir beide gemeinsam hinter jedem Textteil des Büchleins stehen konnten. Leicht war es nicht, die nicht ausräumbaren Meinungsverschiedenheiten durch Verbalkompromisse zu übertünchen. Bei den späteren Übersetzungen ergab sich das Problem ja auch immer wieder von Neuem.


Im Frühjahr 1977 stand der gemeinsame Text fest. Zum Drucker wurden 92 Seiten Schreibmaschinensatz mit wenigen eingestreuten historischen Illustrationen, Grundrissen und Querschnitten von Kirchen sowie Lageplänen gegeben, alles schwarz/weiß bzw. Strichvorlagen. Ergänzt wurde der Text durch 36 eigene schwarz/weiß Fotos. Buchumschlag und der Stadtplan der Unterstadt im Innendeckel des Umschlags waren eigene Produkte.


Urheberrechtliche Probleme hatten wir dadurch vermieden, dass wir die Vorlagen selber erarbeiteten, mit kleinen Veränderungen selber neu zeichneten oder dass ich bei den historischen Bildvorlagen selbst Eigentümer war: See- und Hafenkarten aus dem 17. Jahrhundert hatte ich bei den Bookinisten an der Seine in Paris gefunden, um den Kupferstich aus Dapper's Morea von 1688 verwenden zu können, fuhr ich nach Amsterdam und kaufte das Buch bei einem der weltweit führenden Händler für seltene Bücher. Dies Buch war dann der Grundstein für eine Spezialbibliothek über Griechenland mit Schwerpunkt auf der Peloponnes, hier wiederum mit Schwerpunkt auf Lakonien und der Stadt Monemvasia. Soweit ich weiß, fehlt mir kein über Monemvasia erschienenes Buch mehr, bei mehreren Auflagen habe ich mich bemüht, auch jede Auflage des Buches aufzutreiben. Um in den späteren Auflagen mehr Illustrationen zeigen zu können, fing ich an, alte Postkarten und Fotografien von Monemvasia zu sammeln. Meine ältesten Original-Fotos sind Postkarten aus dem Jahre 1938, die ich in Paris erwarb.


Auf die Sommer-Reise nach Griechenland nahmen wir 600 in Berlin gedruckte Exemplare der Erstauflage unseres Buches mit und boten sie einem Touristikgeschäft, deren Inhaber wir gut kannten, zum Kauf an. Die Frau kaufte 2 Stück an und lief uns schon am nächsten Tag auf der Straße mit den Worten hinterher: "Das Buch verkauft sich ja gut. Gib mir noch mal 5 Stück." Bis zum Ende der Touristensaison war fast der gesamte Bestand verkauft. Wir konnten an einen Nachdruck denken und ließen 1978 1.000 Stück in Athen drucken. Bei einer solchen Nachfrage kann man es nicht bei einer schwarz/weißen deutschen Ausgabe im Schreibmaschinensatz belassen. Für eine Übersetzung ins Englische konnten wir einen amerikanischen Reformationshistoriker, unseren Freund Lawrence Buck, gewinnen. 1980 erschienen eine überarbeitete deutsche und englische Version im Composersatz mit 40 farbigen Fotos. 1983 folgten die italienische Übersetzung durch Lev Alfredo Guzzoni und die französische Ausgabe, übersetzt durch meinen Kommilitonen aus Bologner Studienzeiten, Francois Sauzey.


Das Büchlein wurde ein richtiger Renner: 10 deutsche Auflagen mit 22.000 Exemplaren, 9 englische Auflagen mit 23.500 Exemplaren, 6 italienische Auflagen mit 7.900 Exemplaren und 5 französischen Auflagen mit 9.400 Exemplaren. Jede Auflage einer Sprache unterschied sich von der vorhergehenden Auflage, durch Fehlerbeseitigungen, vermehrte Illustrationen oder mehr oder weniger starke Neubearbeitung zur Anpassung an veränderte Realitäten vor Ort.


Die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erschienenen griechischen Bücher über Monemvasia waren alle vergriffen. 1974 hatte ein ehemaliger Bürgermeister von Monemvasia ein schmales Heftchen mit wenigen Informationen in griechischer Sprache veröffentlicht; dies war vor Ort in den Touristenläden zu kaufen, für ausländische Touristen aber eher unbrauchbar. Eine neue, englischsprachige Monographie von 1971 (Elliott) war nur in Großbritannien, ein neues, Griechisch sprachiges Buch von 1976 (Katsoris) nur in Athen zu bekommen. Auch das ausgezeichnete Werk der Autorinnen Xanalatou-Dergalin und Kouloglou-Pervolaraki mit Bauplänen von Häusern, Kirchen und öffentlichen Gebäuden aus dem Jahre 1974 mit einem kleinen Textteil (englische Fassung 1978), der unserer Einführung in Materialien, Bauten und Bauelemente sehr ähnlich war, hat seinen Weg von Athen niemals nach Monemvasia gefunden und war in Athen drei Mal sofort vergriffen. Ursächlich hierfür ist der Zustand der griechischen Buchproduktion zu jener Zeit: Es gab nur sehr wenige größere Verlage mit eigener Vertriebstätigkeit. Die meisten Bücher wurden seinerzeit von den Autoren privat gedruckt und auch privat vertrieben. Auch wir ließen unsere Bücher bei einer Druckerei in Athen drucken, lagerten die Bücher in unserem Bücherschuppen neben dem Haus am Meer und belieferten als Verlag und Großhändler die Einzelhändler der Touristenläden. Für die Auslieferung hatte ich mir für einige Jahre einen ganz besonderen Weg ausgedacht: Der Fahrer des Müllwagens von Monemvasia kam mehrfach in der Woche bei allen Häusern vorbei und konnte die telefonisch bestellten und von ihm aus unserem Schuppen geholten Bücher ausliefern, auch wenn wir nicht vor Ort waren.


Ein griechisches Buch über Monemvasia hatten wir den Griechen überlassen wollen. Ich fand, es schicke sich nicht, den Griechen ihre Geschichte aus dem Blickwinkel international denkender Deutscher vorzuhalten. Die Händler drängten immer wieder auf uns ein, dass wir auch eine griechische Übersetzung herstellen sollten. Um die Übersetzung baten wir einen Buchhändler in Berlin (Jannis Stylianakis), der Bücher über Griechenland und in griechischer Sprache aus seiner Versandbuchhandlung heraus verkaufte, die er in unserem Haus in Berlin betrieb. Diese Übersetzung wurde ein ziemlicher Reinfall, sowohl inhaltlich als auch formal. Anstatt den Sinn unseres Textes wiederzugeben, veränderte er die vorgegebenen Inhalte. So wurden z.B. aus "Avaren und Slaven" in seiner Übersetzung "türkische Hunnen". Die zwischenzeitlich in Griechenland durchgeführten Rechtschreibreformen waren an ihm spurlos vorüber gegangen. Er fand auch, dass man ein Wort nicht immer gleich schreiben müsse, wenn es doch oftmals viel schöner aussehe, das Wort in verschiedenen Versionen zu schreiben. Vor den schlimmsten inhaltlichen Veränderungen bewahrte uns ein griechischer Professor in Berlin, den wir gebeten hatten, die Übersetzung gegenzulesen. Unser Drucker kündigte an, von dieser ersten Auflage des Buches aus dem Jahre 1998 niemals eine zweite Auflage drucken zu wollen, weil dies seinem Ruf schaden könnte. Bereits die 2. Auflage war durch einen jungen Studenten sprachlich und orthografisch an die heutige Zeit angepasst worden. Und die 5. Auflage von 2014 wurde von einem professionellen Journalisten noch einmal überarbeitet. Insgesamt erschienen 14.700 griechische Exemplare. In den fünf Sprachen haben wir 77.500 Bücher gedruckt, von denen 74.300 Stück verkauft wurden. Rest: 3.200

Mit den Büchern kam ich sehr schnell in die Untiefen der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft: um die Bücher verkaufen zu dürfen, musste ich ein Gewerbe, in meinem Fall ein "Schriftstellergewerbe" anmelden. Das tat mein dortiger Steuerberater für mich, der überhaupt alle behördlichen Angelegenheiten für die ansässige Bevölkerung erledigte, wie es schon in byzantinischer und türkischer Zeit gemacht wurde. Damit war ich als Selbständiger nicht nur umsatzsteuer-, sondern auch gewerbesteuerpflichtig und die Behörden versuchten zusätzlich, mich auch in die griechische Sozialversicherung zu bekommen. Meine Steuern wurden über den Steuerberater abgewickelt, der mir auch die notwendigen steuerlichen Quittungsbücher und Stempel besorgte. Eines Tages stellte sich heraus, dass mein Steuerberater sich meine Steuerzahlungen mit dem Leiter des Finanzamtes geteilt hatte, der dafür die Quittungsbücher und Stempel bereitstellte. Letztlich hat der griechische Staat, dessen Finanzamtsleiter in dies Problem verwickelt war, nachgegeben und auf eine Nachzahlung durch mich verzichtet. Die Sozialversicherungspflicht in Griechenland konnte ich vermeiden, indem ich die entsprechenden Formular-Papiere der EU (E 101 und A 1) für die Zeit seit Beginn meiner gewerblichen Tätigkeit in Griechenland beibrachte. Alle 5 Jahre war dies erneut nötig.


Nachdem das Monemvasia-Buch so gut eingeschlagen war, begann ich mit der Informationssammlung über die Dörfer in der Umgebung von Monemvasia. In der Zeit vor der deutschen Einheit hatte ich viel Zeit im Büro, die ich mit der Herstellung meiner sogenannten "Flugschriften" verkürzte. Hierbei handelte es sich um ein auf DIN A 5 gefaltetes DIN A 4 - Blatt, mit einer Titelzeichnung und 3 Seiten Text über Dörfer in unserer Umgebung. Die Herstellung erfolgte mit dem Xerox-Kopierer. Später entstanden umfangreichere Flugschriften durch Einlegeblätter und letztlich ließ ich die gesammelten Flugschriften in einer kleinen Broschüre Ausflüge in die Umgebung von Monemvasia drucken.
Meine schriftstellerischen Griechenland-Aktivitäten wurden durch die Wende-Zeit und die deutsche Einheit jäh unterbrochen und auch meine Griechenland-Aufenthalte waren nicht mehr so zahlreich und intensiv. Dafür gab es aber monatlich ein verlängertes Wochenende in Athen, das mir in das letzte Jahr sehr ans Herz gewachsen war.


Oftmals sitze ich in einem Lokal in Monasteraki an der U-Bahn am Nordausgang der Agora mit Blick auf die Akropolis und das Thission. Nicht weit davon entfernt liegt meine Lieblingsausgrabungsstätte, der Keramikos, mit seinem kleinen, intimen Museum, das gleichwohl die Entwicklung von der Frühzeit bis in die römische Zeit hinein zeigt. Auf dem Keramikos ist man noch oft ganz für sich alleine. Das ist natürlich im neuen Akropolis-Museum oder im Nationalmuseum nicht der Fall. Im Akropolis-Museum bin ich insbesondere von den architektonischen Spolien aus geometrischer und archaischer Zeit, sowie den Koren und Kuroi des Perser-Schutts und der Hochklassik im ersten Geschoss beeindruckt; demgegenüber rührt mich die Darstellung der Skulpturen des Parthenon eher peinlich an, zeigt sie doch, dass die Bewahrung dieses Kulturgutes eher den Ausländern, als den Griechen zu verdanken ist.


Meinen Besuchern zeige ich den Keramikos und sein Museum so gerne, weil man in kurzer Zeit einen wirklich guten Überblick über die griechische Kunst bekommt. Das Akropolis-Museum ist nun einmal Pflichtprogramm. Aber auch das Nationalmuseum ist eine wichtige Anlaufstelle in meinem Besichtigungs-Programm Metalle - Gold und Bronze. Zum Thema Gold führe ich die Gäste zu den berühmtesten, goldenen Ausgrabungsstücken aus der mykenischen Zeit, wie z.B. der Maske des Agamemnon (Mykene) oder den beiden Goldbechern mit der Stierbändigung (Vaphio). Die Groß-Bronzen des Nationalmuseums stehen heute herausgehoben an zentralen Schnittstellen des Museums, jeweils einem point de vue vergleichbar. Der blitzschleudernde Zeus, das Kind zu Pferden oder der Ephebe von Antikythera bleiben dadurch in dauernder Erinnerung. Wer Zeit genug hat, sollte aber auch einen Blick auf die prächtigen Stücke des kretischen Palaststiles in der Keramiksammlung werfen.