Eine unbedeutende Kleinstadt: Monemvasia nach der Befreiung von 1821
Im Befreiungskrieg der Griechen gegen die Türken, der im Jahre 1821 begann, gelangte Monemvasia noch einmal zu einer gewissen historischen Bedeutung für die erwachende griechische Nation. Dieser "heilige Felsen des byzantinischen Reiches" ist die erste Festung, die die Türken aufgeben mussten. Im Sommer 1821 musste sich die türkische Besatzung den Befreiungskämpfern ergeben, nachdem in einer viermonatigen Belagerung, an der sich auch die griechische Nationalheldin Laskarina Bouboulina mit ihrem Schiff beteiligte, wieder einmal alle Vorräte erschöpft waren und der Hunger die Übergabe erzwang. Während noch überall heftige Kämpfe tobten, tagte bereits in Monemvasia eine erste Versammlung, die über die Neuordnung des freien Griechenland beriet.
Einige griechische Familien, die 1770 nach Spetsä, Hydra, Ägina und auf die anderen Inseln geflohen waren, kehrten nach der Befreiung in ihre Heimatstadt zurück. Auch aus Kreta trafen wieder neue Siedler ein, unter ihnen die Familien Kapitsinis und Ritsos, die als Nachfolger der Archonten des Mittelalters und der frühen Neuzeit zu den führenden Familien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gehörten. Diese Familien waren aber nicht mehr als Kaufleute mit Handelsbeziehungen im gesamten Mittelmeerraum tätig. Sie besaßen ausgedehnte Latifundien auf dem Festland, die von abhängigen Landarbeitern bewirtschaftet wurden, deren soziale Lage sich erst in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu ändern begann. Wer nicht zur Führungsschicht gehörte, betrieb Fischerei und in bescheidenem Maße Landwirtschaft für den eigenen Bedarf. Die Herstellung der von den Inselbewohnern getragenen Hosen sorgte für den Lebensunterhalt weiterer Familien.
Kupferstich von Baccouel aus dem 19. Jahrhundert
Während des ganzen 19. Jahrhunderts blieb Monemvasia ein unbedeutendes kleines Landstädtchen, das nicht einmal eine regelmäßige Schiffsverbindung besaß, aus dem sich Apotheken und Banken zurückzogen und von dem die Regionalverwaltung abgezogen wurde. Heute besitzt es nicht einmal mehr das noch im letzten Jahrhundert vorhanden gewesene Gericht, und ein damals existierendes Gymnasium. Und trotz einer leichten Verbesserung der Infrastruktur durch eine neue Straßenverbindung mit Sparta macht sich auch in Monemvasia die in ganz Griechenland stattfindende — und noch immer anhaltende — Auswanderungsbewegung bemerkbar. 1858 wurde die höchste Bevölkerungszahl nach der Befreiung der Stadt erreicht: 129 Familien mit 646 Einwohnern wurden registriert. Im Jahre 1911 verließen die letzten Bewohner die Hochfläche des Felsens, die seitdem nur noch ein Trümmerfeld ist.
Die dauerhaft in der Unterstadt des Felsens wohnende Bevölkerung ist starken Schwankungen unterworfen, die sich mit der jeweiligen wirtschaftlichen Situation Griechenlands erklären lassen. So weist die griechische Statistik für das Jahr 1971 nur 32 Einwohner auf dem Felsen aus. Mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung in Griechenland, dem beginnenden Wiederaufbau der Unterstadt sowie dem Zuzug von Ausländern und Griechen aus Athen wurde eine Trendwende bewirkt: In der Volkszählung von 1991 wurden 75 und beim Zensus von 2001 sogar 131 dauerhaft in der alten Stadt Monemvasia wohnende Personen gezählt. Bedingt durch demografische Faktoren und die seit dem Jahre 2008 beginnende ökonomische Krise Griechenlands verlor der Felsen massiv an dort wohnender und arbeitender Bevölkerung: Bei der Volkszählung des Jahres 2011 gaben nur noch 19 Personen das Kastro von Monemvasia als ihren dauerhaften Wohnsitz an.
Wanderungsbewegungen aus den umliegenden Dörfern wirken sich auch auf die Bevölkerungszahl der Gemeinde Monemvasia aus, zu welcher der auf dem Festland gelegene Ortsteil Jefira und das Dörfchen Agia Kiriaki gehören. Von 445 Gemeindemitgliedern 1971 erhöhte sich die Anzahl auf 869 im Jahre 1991. Besonders profitierte Jefira von dieser Form der Landflucht. Während es 1961 in Jefira nur 344 Bewohner gab, waren es zehn Jahre später 380 und bei der Volkszählung 1991 bereits wieder 767 Einwohner. Damit lebten 90 v. H. aller Gemeindemitglieder in Jefira.
Im Jahre 2010 wurde eine umfassende Verwaltungsreform für Griechenland beschlossen. Dadurch wurden der Gemeinde Monemvasia ab Januar 2011 die benachbarten Gemeinden Zarakas, Molaoi, Asopos und Vies einverleibt, der Sitz der Verwaltung aber gleichzeitig nach Molaoi verlegt. Damit verbleibt der berühmte Name zwar noch in „Dimos Monemvasias“ erhalten, an Bedeutung und an Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst hat Jefira aber eindeutig einen herben Verlust hinnehmen müssen. Die neue Gemeinde Monemvasia umfasst jetzt fast die gesamte lakonische Halbinsel, angrenzende Gemeinden im Norden sind Evrotas und Südliche Kynouria.
Dennoch quellen nur in den wenigen Monaten der Touristensaison die Restaurants und Kefenia von Jefira im bunten Gewimmel von Touristen aus aller Welt über. Stundenweise erscheint selbst Monemvasia von den Reisenden beherrscht: sie füllen die engen Gassen und flanieren in der Hauptstraße. Und wenn dann die fremden, neuen Besitzer der alten Patrizierhäuser und Palazzi ihre Jachten vor dem Felsen kreuzen lassen, könnte man vergessen, dass man hier in einer verschlafenen und fast vergessenen Stadt, fast am Ende der Welt ist.
Kupferstich von Weber nach einer Zeichnung von Belle, 1876


